Autorin:
Dr. Jutta Witte
Mitarbeitende empowern in der agilen Arbeitsorganisation
Bildquelle:
Fachgebiet Wirtschaftsinformatik Universität Kassel
Zweite Transferkonferenz am 26. September 2019 in Kassel
Agilität ist die Leitidee für den Aufbau neuer Organisations- und Arbeitsstrukturen in den Unternehmen. Sie birgt Chancen und Risiken. Klar ist: Das Empowerment der Mitarbeitenden und Führungskräfte ist der Schlüssel, um diese Transformation zu schaffen. Um die Potenziale der Agilität ausschöpfen zu können, bräuchten die Menschen Methodenwissen, aber auch Freiheitsgrade und Handlungsspielräume, betont Ijeoma Onwuka, EdA-Projektbevollmächtigte beim Projektträger Karlsruhe (PTKA). Wie ist mit Blick auf das Empowerment aktuell der Stand in den Unternehmen? Und was muss passieren, um es nachhaltig zu verankern? Die zweite EdA-Transferkonferenz bot zu diesen Fragen spannende Forschungsergebnisse, Praxiserfahrungen und Impulse.
Impulsvorträge
Lessons Learned: Agile Arbeitsorganisation durch interne Crowd
„Crowd Work-Plattformen zu einem empowerten Umfeld machen“. Das ist das Ziel des EdA-Teams der Universität Kassel. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben das psychologische und strukturelle Empowerment im Kontext mit interner Crowd Work untersucht. Sechs Fallstudien, welche die verschiedenen Ausprägungen und Umsetzungswege interner Crowd Work abbilden zeigen: Interne Crowd Work bietet Potenziale für Empowerment, kann Innovationsprozesse von unten anstoßen und Silostrukturen aufbrechen. Den Mitarbeitenden bieten sich neue Chancen, ihre Persönlichkeit und Skills weiter zu entwickeln, sich zu beweisen und im Unternehmen sichtbar zu werden. „Ohne das Commitment der Führungskräfte, neue Formen der Führung und die Einbettung von Empowerment in einen Kulturwandel wird dies allerdings nicht gelingen“, erklären Ass.-Prof. Dr. Christoph Peters, Forschungsgruppenleiter an der Universität Kassel und Assistenzprofessor an der Universität St.Gallen, und Benedikt Simmert, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kassel.
Führung in agilen Arbeitsorganisationen
Auch für Prof. Dr. Andreas Boes, Vorstand am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) München wird die Führungsfrage zur „Achillesferse“ des agilen Unternehmens. „Wenn wir Empowerment nicht in der Arbeitswelt verankern, wird Agilität schädlich für die Menschen“, ist der Experte überzeugt. „Das betrifft nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Führungskräfte“. Und die befinden sich nach seiner Beobachtung in einem Spagat zwischen empowerten Mitarbeitenden mit ihren neuen Erwartungen und dem Management mit seinen Zielen. Gestaltungsspielraum und Karriereperspektiven gehen verloren. Vor diesem Hintergrund müsse das kollektive Verständnis von Führung sich radikal ändern. Eine mögliche Option ist für Boes, Führung als sozialen Prozess zu gestalten, in dem funktionale Rollen dynamisch ausgehandelt werden. So wird die Führungskraft der Zukunft zum Coach und Enabler, die ihrem Team hilft, neu zu denken.
Holokratie und agile Teams für mehr Empowerment
Ohne feste Führungskräfte kommen zum Beispiel holokratische Organisationsformen mit ihren fluiden Strukturen und empowerten agilen Teams aus. Für Michael Schmitzer, Leiter des Ressorts Angestellte, IT, Studierende der IG Metall, bietet dies Chancen, Entscheidungen transparent und partizipativ zwischen gleichberechtigten Teams zu treffen. Aber egal, welches Modell am Ende zum Tragen kommt: Für den Gewerkschafter ist es Zeit die agile Arbeitswelt zu gestalten, mit den richtigen Werten zu hinterlegen, Perspektiven zu schaffen und Beschäftigung auch unter den neuen Rahmenbedingungen zu sichern. „Wir wollen agieren statt reagieren und wir wollen vor allem mitgestalten.“ Ein echtes Empowerment könne zum Beispiel über das Betriebsverfassungsgesetz erreicht werden. Es bietet die Möglichkeit Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte vom Betriebsrat auf die Arbeitsgruppen zu übertragen und könnte damit ein Hebel sein, um Beschäftigten Zugriff auf die Personal- und Leistungsbemessung zu gewähren.
Begegnung auf Augenhöhe: Agile Leadership
„Augenhöhe und gemeinsames Lernen statt Mikromanagement“. Hierauf kommt es für Reimar Paschke, bei der Siemens AG zuständig für Transformation & Kultur und IT-Strategie, in der VUCA-Welt an. Beschäftigte wollten heute als Menschen wahrgenommen werden, die zusammenarbeiten und global denken. Der Change-Experte erklärt wie sich die Siemens interne IT in einen echten agilen Bereich wandelt. Angestoßen wurde dies von der Idee der „Ownership Culture“, die Konzernchef Joe Kaeser im Rahmen der Initiative Vision 2020 auf den Weg gebracht hat, um mehr Mitarbeitende zu Aktionären zu machen. Ziel war es unter anderem, die Motivation, das unternehmerische Denken und die Identifikation der Siemensianer zu steigern. Drei Prinzipien ermöglichen nun in der Siemens IT eine erfolgreiche Transformation: schnell Kundennutzen kreieren, innovieren und wachsen sowie vor allem Verantwortung übernehmen und übertragen.
World Café
Welche Vorgehensweisen wenden Sie bereits an oder kennen Sie um Mitarbeitende zu empowern? Wie sieht die ideal empowerte Arbeitswelt aus? Und wer muss konkret wann was tun zum Empowern der Mitarbeitenden? Diese drei Fragen standen im Fokus des von Ass.-Prof. Dr. Christoph Peters und Karen Eilers geleiteten interaktiven World Cafés. Unter der Moderation von Dr. Hanjo Gergs (AUDI AG), Katrin Gül (ISF München) Nesrin Gül (IG Metall Bayern) und Benedikt Simmert (Universität Kassel) diskutierten die Teilnehmenden über die aktuelle Situation in den Unternehmen, die Erwartungen der Beschäftigten, Faktoren, die Empowerment begünstigen und verhindern können, und die zukünftige Rolle der Führungskräfte in agilen Organisationen und Arbeitsstrukturen. Auch das World Café bestätigte: Ein neues Verständnis von Führung und ein echtes agiles Mindset auf allen Ebenen sind die Kernthemen, wenn die Transformation in die Agilität gelingen soll.