Mehr Beteiligung für die Arbeitswelt der Zukunft
Wie sieht die Zukunft der Mitbestimmung in einer digitalisierten Arbeitswelt aus? Wie können die Beschäftigten an der Gestaltung der Arbeitswelt der Zukunft beteiligt werden? Und was können Unternehmen tun, um ihnen hierfür den Handlungsspielraum zu geben?
Rund 500 „Audianer“ und prominente Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Unternehmen, Gewerkschaften und Wissenschaft haben am 11. November 2017 in Ingolstadt über diese Fragen diskutiert. Die Zukunftskonferenz bildete den Abschluss des vom AUDI-Betriebsrat Ingolstadt initiierten Projektes „Vision Ingolstadt 2030“ (zum Programm).
Auf dem Weg zu Guter Arbeit
„Von dieser Veranstaltung geht ein starkes Signal aus: für mehr Beteiligung und eine Humanisierung der digitalen Arbeitswelt“, zogen die Projektinitiatoren Johann Horn, IG Metallbevollmächtigter in Ingolstadt, Peter Mosch, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der AUDI AG und der Vorsitzende der IG Metall bei AUDI Ingolstadt, Jörg Schlagbauer, eine positive Bilanz. Interaktivität, Dialog und die gemeinsame Erarbeitung wichtiger Handlungsfelder und möglicher Lösungsansätze für die Verwirklichung Guter Arbeit bestimmten die Konferenz. Neue Wege in der Interessensvertretung und Mitbestimmung, Sicherheit im Wandel, Entgrenzung und psychische Belastungen durch mobile und flexible Arbeit, Qualifizierung und Weiterbildung sowie Datenschutz für den Mitarbeiter der Zukunft: Das waren die Themen, welche die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Unternehmen angesichts der digitalen Transformation umtrieben.
Steht der Mensch im Mittelpunkt?
Weit mehr als zwei Drittel von ihnen antworteten auf die Frage, ob der Mensch im Mittelpunkt der digitalen Arbeitswelt stehe, entweder mit „teils, teils“ oder „stimme eher nicht zu“. Das Ergebnis dieses Online-Votings war für das prominent besetzte Podium keine Überraschung. Ebenso einig waren sich die geschäftsführende Bundesarbeits- und Sozialministerin Dr. Katarina Barley, DGB-Chef Reiner Hoffmann und AUDI-Produktionsvorstand Peter Kössler in der Überzeugung, dass die digitale Arbeitswelt Chancen und Risiken bietet und dass sie den Menschen braucht.
Unter der Moderation von Dr. Kira Marrs, Wissenschaftlerin am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. (ISF) München, erörterten sie wie die Arbeitswelt der Zukunft gemeinsam mit den Beschäftigten gestaltet werden kann und wie Politik und Sozialpartner die Menschen dazu befähigen können, aktiv an ihrer Gestaltung teilzuhaben.
Partizipation ist das A und O
„Partizipation ist das A und O“, betonte Katarina Barley mit Blick auf die Gestaltung der schnelllebigen digitalen Arbeitswelt. Dabei ist der Bundesministerin klar, dass es hierfür keine Patentlösung gibt. Deswegen setzt Barley unter anderem auf „Lern- und Experimentierräume“, in denen Arbeitgeber und Beschäftigte gemeinsam lernen, Neuland zu gestalten. Weitere zentrale Erfolgsfaktoren sind für sie eine „bereits im Berufsprozess“ verankerte Qualifizierung, die Beschäftigte rechtzeitig auf Veränderungen vorbereitet, und der richtige Umgang mit neuen psychischen Belastungen. Angesichts des zu erwartenden Wegfalls von Arbeitsplätzen in bestimmten Bereichen wirbt sie dafür, frühzeitig Alternativen für die Betroffenen zu entwickeln. Politisch entscheidend ist für sie, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen die Chancen der Digitalisierung gerecht verteilt werden können.
Der Mensch ist der Ursprung von Kreativität
Für Peter Kössler ist „der Ursprung von Kreativität immer der Mensch“. Die Digitalisierung sei ein evolutionärer Prozess: „Und es liegt an uns, ihn zu gestalten“. Der AUDI-Produktionsvorstand will die Belegschaft Schritt für Schritt auf den Wandel vorbereiten und keine Verlierer schaffen. Nach seiner Einschätzung werden sich im Zuge der Transformation nicht nur Produkte wandeln, sondern auch Kommunikationsformen und die Ausgestaltung von Arbeitsplätzen. Vor allem angesichts eines sich ändernden Produktportfolios sind für ihn digitale Bildung und Weiterbildung in allen Bereichen essentiell. Mit Blick auf die gravierenden Veränderungen, die über die Produktion hinaus auch die indirekten Bereiche treffen, plädiert Kössler dafür, den Beschäftigten die Freiräume zu geben, die sie brauchen und ihre Eigenverantwortung zu stärken.
Den Menschen eine Stimme geben
„Wir müssen die Menschen adressieren und ihnen eine Stimme geben“, ist Reiner Hoffmann überzeugt. Der DGB-Chef plädiert für mehr Partizipation, Beteiligung und Mitbestimmung auf allen Ebenen. Bildung und Qualifikation nur technikzentriert über die Köpfe der Menschen hinweg zu organisieren, greife deswegen zu kurz. Hoffmann macht sich für eine neue Lernkultur stark, die Menschen zur Gestaltung ihrer eigenen Lebensumstände befähigt. Mit Blick auf die gegenwärtig entstehende Plattformökonomie betont der DGB-Chef die Notwendigkeit neue Formen digitaler Erwerbsarbeit in die sozialen Sicherheitssysteme einzubetten und auch Plattformbetreiber mit ihrer Verantwortung als „Arbeitgeber“ in die Pflicht zu nehmen. Deutlich bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitsouveränität kennzeichnen für ihn unter anderem die humanisierte Arbeitswelt der Zukunft.
Es geht um aktive Gestaltung
Mehr als 160 Fragen richtete das Publikum online ans Podium. Diese wollen die Organisatorinnen und Organisatoren von „Vision Ingolstadt 2030“ nun genauer analysieren. „Es geht um aktive Gestaltung“, betonten die Projektbetreuer Ralf Mattes und Hans-Joachim Gergs. In diesem Sinne sollen auch im Rahmen des Teilprojektes, mit dem sich der AUDI-Betriebsrat in Ingolstadt an EdA beteiligt, innovative Ansätze und Instrumente für die betriebliche Mitbestimmung entstehen, die auf die veränderten Erwartungen der Belegschaft eingehen und neue Wege in eine beteiligungsorientierte Organisationskultur ebnen.